Vermehrung - Aus eins mach mehr....

Die Vermehrung von Citrus-Pflanzen ist ein schwieriges Thema. Ein Gerücht hält sich seit Jahren und wirkt nahezu unumstößlich: Citruspflanzen aus Samen gezogen Blühen und Fruchten nicht. Wenn dem so währe, wären Citruspflanzen nicht so verbreitet. Jeder Sämling kommt über kurz oder lang zur Blüte, doch es spielen bis zu ersten Blüte so viele Faktoren eine Rolle, daß es an Utopie grenzt, genau vorherzusagen, wann nun die erste Blüte einsetzt. Solche überaus langen Jugendphasen sind im kommerziellen Anbau natürlich völlig unerwünscht. Hier muß gewährleistet sein, daß eine Pflanze schon nach drei Jahren erste Früchte trägt. Daher wird im kommerziellen Anbau meist durch Veredelung vermehrt. Dies hat die Vorteile, daß die Unterlage als Wurzelstock auf den Boden angepaßt werden kann, bestimmte Resistenz oder Toleranz gegen Krankheiten auf das Edelreis, so heißt die aufgesetzte Krone oder Sorte) übertragen wird. Auch lassen sich zumeist Wuchsart, -größe, Fruchtsorte und Fruchtqualität einigermaßen klar bestimmen, was bei Sämlingen fast völlig ausfällt. Dennoch ist die Aussaat zur Anzucht von Veredelungsunterlagen üblich. Einige wenige Sorten werden auch heute noch durch Aussaat vermehrt, doch dies ist selten. Für den geduldigen Citrus-Liebhaber ist die Aussaat natürlich möglich, doch darf man nicht schon nach zwei Jahren erste Früchte erwarten. Es bedarf wirklich Geduld. Einer meiner ersten Zitronensämling blühte zum ersten Mal nach acht Jahren, obwohl im Freiland so in etwa nach vier bis fünf Jahren die erste Blüte auftritt. Dennoch werden inzwischen mehr Versuche mit Sämlingen gemacht und einige Sorten haben als Sämlinge im kommerziellen Anbau ebenso bewährt, wie das Veredeln. Schon besser ist die Vermehrung durch Markottierung, in den USA Air-Layering genannt. Diese Vermehrungsmethode wird oft bei Limetten, Tangelos, Pummelos und bestimmten Mandarinen angewendet. Die Pflanze hat den Vorteil auf 'eigener' Wurzel zu stehen, allerdings geht dadurch die Toleranz gegen Krankheiten, welche die Unterlage hätte verhindern können, verloren. Solche Pflanzen sind zumeist sehr empfindlich gegen Fußfäule in den ersten Jahren, weshalb im kommerziellen Anbau nicht so oft Verwendung findet, wie Veredelung. Allerdings sind durch Markottierung gewonnen Pflanzen schon im ersten Jahr sehr groß und können schon Früchte tragen, was bei kaum einer anderen Vermehrungsart möglich ist. Da jedoch dieser große Pflanzenteil von der Mutterpflanze entfernt wird, ist diese Methode natürlich nicht geeignet um große Pflanzenmengen zu produzieren. Die Nachzucht aus Stecklingen ist eine oft im Hobbybereich gern angewandte Methode Citrus zu vermehren. Die Pflanze ist absolut gleich zur Mutterpflanze, entbehrt aber des aufwendigen Veredelungsprozesses. Nachteilig wirkt sich hier wieder die fehlende Resistenz gegen Krankheiten und die oft erhöhte Anfälligkeit gegen Fußfäule in den jungen Jahren aus. Viele Stecklinge treiben zwar Wurzeln, kommen jedoch durch den pilzlichen Erreger nicht dazu nötiges Blattwerk zu bilden. Sie verkümmern schließlich. Dennoch ist Stecklingsvermehrung in vielen Ländern wie Frankreich durchaus üblich, auch für kommerziell angebaute Sorten. Oft blühen die Pflanzen schon bereits ein Jahr nach der Bewurzelung. Da der Hobbygärtner seinen Pflanzen zumeist eine intensivere Pflege zukommen lassen kann, als dies im kommerziellen Anbau möglich ist, ist Stecklingsvermehrung für den Hobby Citrus-Gärtner eine gute Vermehrungsmethode. Beim Veredeln, der häufigsten Vermehrungsmethode im kommerziellen Anbau wird nur ein kleiner Teil der Mutterpflanze auf einen besonders ausgesuchten Sämling übertragen, der späte die Krone und die Frucht bilden soll. Der Wurzelstock, Unterlage genannt, ergibt bestimmte Vorteile auf das Edelreis, aber auch einige Nachteile, weshalb die Unterlagenauswahl ein wichtiges Kriterium bei der Vermehrung durch Veredelung darstellt. Oft werden hier traditionelle oder einfach zu kultivierende Arten ausgewählt, die später nicht zum Standort der Pflanze passen. Deshalb ist die Unterlagenauswahl vor der endgültigen Pflanzung neben der Sortenauswahl die wichtigste Entscheidung über erfolg oder Mißerfolg der Pflanze. Da nur kleine Teile der Mutterpflanze benötigt werden, ist es möglich eine größere Menge an Jungpflanzen pro Jahr zu produzieren, die nach Möglichkeit bereits nach drei Jahren Erträge liefern sollten. Allerdings sollte bei der Auswahl der Edelreiser darauf geachtet werden, daß diese keine Krankheiten auf die neue Pflanze übertragen, und so Bestände gefährden. Deshalb bestehen im kommerziellen Anbau Edelreisschutzprogramme. An diese sollte sich auch ein Hobbyzüchter halten, möchte er nicht gegen Gesetze verstoßen oder seine Bestände verlieren. Auch ist die Qualität dieser Edelreiser zumeist ganz hervorragend. Zertifizierte Edelreiser sind Sortenecht und Krankheitsfrei und sollten nach Möglichkeit immer verwendet werden.
Die neuste Methode der Vermehrung ist die Zellkultur. Sie ist jedoch mehr als kompliziert und bleibt eigentlich sterilen Laboratorien vorbehalten. Allerdings ist es durch die Zellkultur, oder Tissue-culture, möglich aus Krankheitsinfizierten Pflanzen, gesunde Pflanzen anzuziehen. Dazu sind aber besondere Nährlösungen und Anzuchtsgefäße nötig, sowie eine Laboratorische Ausstattung. Der komplizierte Vermehrungsprozeß bedarf zusätzlichen konstanten Klimabedingungen, in sogenannten Kulturschränken werden Temperatur und Beleuchtung im optimalen Bereich gehalten. Diese 'In-Vito' Kulturen sind einfach für einen Heimanwender ohne entsprechende Möglichkeiten und Erfahrungen nur schwer durchführbar.

Zum Schluß noch eine wichtiger Hinweis: In den Kapiteln über Krankheiten und Schädlinge sind auch pilzliche und bakterielle oder viruelle Krankheiten benannt. Diese Krankheiten lassen sich durch infizierte Edelreiser und durch Pflanzenteile, Pflanzensäfte oder aber andere Übertragungswege auf gesunde Pflanzen übertragen. Daher verwenden Sie bitte für alle Vermehrungen nur gesunde, am Besten zertifizierte Pflanzenteile. Durch leichtfertiges Handeln wurden schon beinahe ganze Citrusanbaugebiete vernichtet. Informationen darüber im EU-Edelreisschutzprogram.

Innerhalb der EU ist recht einfach, Pflanzen oder Pflanzenteile von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat zu verbringen. Import von Pflanzen oder Pflanzenteilen jedwelcher Citrusart aus nicht EU Staaten, den sogenannten Drittländern, ist strengstens untersagt. Eine Pflanzenschmuggelei kann als unter Umständen sehr, sehr teuer werden.

 

 

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